Wird für eine Organgesellschaft Umsatzsteuer festgesetzt, weil ihre
Stellung als Organgesellschaft nicht erkannt wird bzw. sich erst später
aufgrund einer Rechtsprechungsänderung herausstellt, entfaltet die
Umsatzsteuerfestsetzung eine sog. Drittwirkung gegenüber dem Organträger, wenn
sie unanfechtbar ist. Der Organträger kann dann bei seiner eigenen
Umsatzsteuerfestsetzung die Vorsteuer, die die Organgesellschaft geltend
gemacht hat, nicht abziehen. Allerdings kann er geltend machen, dass die von
ihm an die Organgesellschaft erbrachten Umsätze sog. nicht steuerbare
Innenumsätze sind.
Hintergrund: Nach dem Gesetz
kann eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen einem Organträger und einer
GmbH als Organgesellschaft gebildet werden, wenn die GmbH in das Unternehmen
des Organträgers finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch eingegliedert ist. Im Jahr 2015 hat der
Bundesfinanzhof auch die GmbH & Co. KG unter bestimmten Voraussetzungen als
Organgesellschaft anerkannt. Die Organschaft hat zur Folge, dass nur der
Organträger die Umsatzsteuer aus seinen Umsätzen und aus den Umsätzen der
Organgesellschaft schuldet und auch nur der Organträger die Vorsteuer aus den
Leistungen, die an ihn oder an die Organgesellschaft erbracht worden sind,
geltend machen kann.
Im Verfahrensrecht gibt es eine sog. Drittwirkung: Ist die Steuer
dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt worden, muss dies auch
derjenige gegen sich gelten lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den
Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, z.B. als
Geschäftsführer, anzufechten.
Sachverhalt: Im Streitjahr 2008
bestand nach Auffassung des Klägers (Einzelunternehmer) und des Finanzamts eine
umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger als Organträger und der
PL-GmbH sowie der PC-GmbH als Organgesellschaften.
Daneben war der Kläger noch alleiniger Kommanditist der C-GmbH
& Co. KG, der P- GmbH & Co. KG und der R-GmbH & Co. KG sowie auch
der Alleingeschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH. Diese drei KG waren
nach damaliger Auffassung des Klägers und des Finanzamts keine
Organgesellschaften. Die PL-GmbH und die PC-GmbH erbrachten Leistungen an die
drei KG, die die Vorsteuer hieraus geltend machten. Das Finanzamt erließ
gegenüber den drei KG Umsatzsteuerbescheide für das Streitjahr 2008, die
teilweise unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen. Der Kläger legte in
seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH weder
Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide ein noch stellte er einen
Änderungsantrag; zum 31.12.2016 trat bei den drei KG Festsetzungsverjährung
ein.
Im Jahr 2013 beantragte der Kläger die Änderung der ihm gegenüber
ergangenen Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 und machte nunmehr aufgrund der
sich anbahnenden Rechtsprechungsänderung eine umsatzsteuerliche Organschaft
geltend. Der Kläger begehrte den Abzug der Vorsteuer der drei KG aus den
Leistungen Dritter.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren
Aufklärung zurück:
-
Der Kläger kann die Vorsteuer, die den drei KG von anderen
Unternehmern in Rechnung gestellt worden ist, nicht abziehen. Dem
Vorsteuerabzug steht nämlich die Drittwirkung der unanfechtbaren
Umsatzsteuerbescheide der drei KG entgegen. Nach diesen drei
Umsatzsteuerbescheiden sind die KG keine Organgesellschaften; vielmehr sind die
drei KG jeweils Umsatzsteuerschuldner und damit auch
Vorsteuerabzugsberechtigte. -
Der Kläger kann aber hinsichtlich seiner eigenen
Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 beantragen, dass die sog. Innenumsätze
innerhalb der Organschaft nicht besteuert werden. Insoweit kann er geltend
machen, dass auch die drei KG zum Organkreis gehören. Dies hat zur Folge, dass
sowohl die Umsätze des Klägers an die drei KG als auch die Umsätze der PL-GmbH
und der PC-GmbH an die drei KG als nicht steuerbare Innenumsätze behandelt
werden. Insoweit entfalten die Umsatzsteuerbescheide der drei KG keine
Drittwirkung, die den Kläger bindet. Dies gilt auch dann, wenn die drei KG die
Vorsteuer aus den von der PL-GmbH, von der PC-GmbH oder vom Kläger erbrachten
Leistungen abgezogen haben sollten; es gibt nämlich kein Korrespondenzprinzip,
das den Vorsteuerabzug davon abhängig macht, dass beim leistenden Unternehmer
Umsatzsteuer auf die Leistung entsteht.
Hinweise: Der Grund für den
Sinneswandel des Klägers findet sich in einer Änderung der Rechtsprechung. Nach
dem Gesetz dürfen an sich nur juristische Personen Organgesellschaften sein;
der BFH hat jedoch seine Rechtsprechung geändert und auch die GmbH & Co. KG
unter bestimmten Voraussetzungen als Organgesellschaft anerkannt. Damit kamen
im Streitfall die C-GmbH & Co. KG, die P-GmbH & Co. KG und die R-GmbH
& Co. KG als Organgesellschaften in Betracht, so dass der Kläger eine
Änderung seiner Umsatzsteuerfestsetzung beantragte.
Der Kläger hätte aber auch in seiner Eigenschaft als
Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH der drei KG die
Umsatzsteuerbescheide der drei KG anfechten sollen oder ihre Änderung
beantragen sollen, soweit die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
standen. Dann wäre die Bindungswirkung weggefallen, wenn dies vor Eintritt der
Festsetzungsverjährung geschehen wäre. Allerdings hätten sich dann für die KG
auch Nachteile ergeben, z.B. der Wegfall des Vorsteuerabzugs. Der BFH macht
deutlich, dass ein „Rosinenpicken“ zwischen einem Organträger und
einer Organgesellschaft nicht möglich ist.
BFH, Urteil v. 26.8.2021 – V R 13/20; NWB
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