Der Europäische Gerichtshof (EuGH)
hat im Grundsatz die Rechtmäßigkeit der Frist für die Zuordnung eines
gemischt-genutzten Gegenstands zum Unternehmen bestätigt. Danach muss die
Ausübung des Zuordnungswahlrechts für einen Gegenstand, der sowohl
unternehmerisch als auch privat genutzt wird, dem Finanzamt bis zum Ablauf der
gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung mitgeteilt werden, damit
der Vorsteuerabzug in voller Höhe geltend gemacht werden kann. Allerdings hält
der EuGH ein Abweichen von dieser Frist für denkbar, wenn die Frist
unverhältnismäßig wäre.

Hintergrund: Verwendet
der Unternehmer einen Gegenstand sowohl für sein Unternehmen als auch privat,
hat er ein sog. Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand entweder
vollständig oder nur anteilig oder gar nicht seinem Unternehmen zuordnen und
dementsprechend die Vorsteuer vollständig, anteilig oder gar nicht abziehen.
Allerdings muss er bei einer vollständigen Zuordnung die Privatnutzung des
Gegenstands der Umsatzsteuer unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) ist das Zuordnungswahlrecht bis zum Termin für die
Abgabe der Umsatzsteuererklärung auszuüben; diese Frist verlängert sich nicht,
wenn der Unternehmer durch einen Steuerberater vertreten wird und deshalb eine
längere Abgabefrist hat.

Sachverhalt: Dem EuGH
lagen zwei Fälle vor, in denen Unternehmer einen Gegenstand sowohl privat als
auch unternehmerisch nutzten, nämlich in dem einen Fall ein Einfamilienhaus, in
dessen Erdgeschoss sich ein betrieblicher Arbeitsbereich befand, und in dem
anderen Fall eine Photovoltaikanlage. Die Unternehmer ordneten das
Arbeitszimmer bzw. die Photovoltaikanlage zwar vollständig ihrem Unternehmen
zu, um die Vorsteuer in vollem Umfang geltend zu machen; jedoch nahmen sie
diese Zuordnung erst nach Ablauf der in den Streitjahren geltenden
Zuordnungsfrist des 31.5. des Folgejahres vor. Das Finanzamt erkannte die
Vorsteuer nicht an. Der BFH rief den EuGH an, damit dieser klärt, ob die Frist
für das Zuordnungswahlrecht mit Europarecht vereinbar ist.

Entscheidung: Der EuGH
hält die Frist für das Zuordnungswahlrecht grundsätzlich für
europarechtskonform:

  • Die Zuordnungsentscheidung
    gehört zu den materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs, da erst aufgrund
    der Zuordnung der unternehmerische Bezug und damit die Berechtigung für den
    Vorsteuerabzug hergestellt wird. Hingegen ist die Mitteilung an das Finanzamt
    über die getroffene Zuordnungsentscheidung nur eine formelle Voraussetzung für
    den Vorsteuerabzug.

  • Sind die materiellen
    Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt, d.h. ist die Zuordnung zum
    Unternehmen erfolgt, darf der Vorsteuerabzug nicht wegen der Nichterfüllung
    einzelner formeller Voraussetzungen versagt werden.

  • Allerdings verstieße es gegen
    den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn es keine zeitliche Begrenzung für die
    Ausübung des Zuordnungsrechts gäbe. Eine Ausschlussfrist wäre mit dem
    Europarecht vereinbar, wenn sie sowohl für die deutschen wie auch die
    europäischen Rechte gilt (sog. Äquivalenzprinzip) und wenn sie die Ausübung des
    Vorsteuerabzugs nicht praktisch unmöglich macht (sog. Effektivitätsgrundsatz).

  • Ein Verstoß gegen diese beiden
    Prinzipien bzw. Grundsätze ist nicht festzustellen. Denn die Zuordnungsfrist
    entspricht der Abgabefrist für Steuererklärungen und gilt daher auch für andere
    Steuerangelegenheiten nach deutschem Recht. Auch der Effektivitätsgrundsatz ist
    nicht verletzt, da der Vorsteuerabzug grundsätzlich in dem Zeitraum erfolgen
    muss, in dem der Vorsteuerabzugsanspruch entstanden ist.

  • Allerdings kann der
    Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt sein, weil es möglicherweise weniger
    beeinträchtigende Mittel gibt als die Versagung des Vorsteuerabzugs. Denkbar
    sind z.B. verwaltungsrechtliche Geldstrafen. Dies muss der BFH nun im weiteren
    Verfahren prüfen.

Hinweise: Die
Umsatzsteuererklärung für 2020 ist coronabedingt bis zum 31.10.2021 abzugeben,
so dass bis zu diesem Zeitpunkt auch das Zuordnungswahlrecht für im Jahr 2020
angeschaffte gemischt-genutzte Gegenstände auszuüben war. Für gemischt-genutzte
Gegenstände, die im Jahr 2021 angeschafft werden, endet die Frist aber wieder
am 31.7. des Folgejahres. Unbeachtlich ist, dass für steuerlich vertretene
Unternehmer eine längere Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung gilt;
hierdurch verlängert sich die Frist für das Zuordnungswahlrecht nicht.

Bei einem Grundstück, das
gemischt-genutzt wird, darf nicht der vollständige Vorsteuerabzug geltend
gemacht werden. Hier ist nach einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz der
Vorsteuerabzug nur auf den unternehmerisch genutzten Teil beschränkt.

Die Entscheidung des EuGH bestätigt
zwar grundsätzlich die Frist für die Zuordnungsentscheidung, die mit der
Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung für steuerlich nicht vertretene
Unternehmer identisch ist. Die Ausführungen des EuGH zur Verhältnismäßigkeit
stellen den BFH aber vor eine große Herausforderung, weil sie kaum verständlich
sind.

EuGH, Urteil v. 14.10.2021 – Rs.
C-45/20 und Rs. C-46/20; NWB