Zwar kann auch die Veräußerung unentgeltlich erworbener
GmbH-Anteile, die sich im Privatvermögen befinden, zu Einkünften aus
Gewerbebetrieb führen. Dies setzt jedoch voraus, dass entweder der Veräußerer
innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war oder aber der
vorherige Anteilsinhaber, der die Anteile unentgeltlich übertragen hatte,
innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war. Die Prüfung, ob eine
wesentliche Beteiligung des vorherigen Anteilsinhabers bestand, ist
veranlagungszeitraumbezogen durchzuführen, so dass es auf die
Wesentlichkeitsgrenze in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum ankommt.

Hintergrund: Verkauft ein
GmbH-Gesellschafter, der mit mindestens 1 % in den letzten fünf Jahren an der
GmbH beteiligt war und die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält,
GmbH-Anteile mit Gewinn, führt dies zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Hat der
Gesellschafter die Anteile unentgeltlich erworben, führt der Verkauf der
Anteile mit Gewinn ebenfalls zu Einkünften aus
Gewerbebetrieb
, wenn der vorherige Anteilsinhaber, der die
Anteile unentgeltlich übertragen hat, wesentlich beteiligt war. Die
Wesentlichkeitsgrenze liegt seit 2001 bei 1 % und lag bis einschließlich 2000
bei 10 %.

Sachverhalt: Ursprünglich war M
bis Dezember 2000 an der AG mit 1,04 % beteiligt. Sie übertrug im Dezember 2000
die Hälfte ihrer Beteiligung, d.h. 0,52 %, zu einem Preis von 650.000 DM an
ihre Tochter T. Der Kaufpreis entsprach zu 60 % dem tatsächlichen Wert, so dass
die Übertragung zu 40 % unentgeltlich erfolgte. T verkaufte ihre Beteiligung
(0,52 %) im Jahr 2002 zum Preis von 2,75 Mio. €. Das Finanzamt
besteuerte den Gewinn im Umfang von 40 % als gewerbliche Einkünfte, soweit T
die Aktien also unentgeltlich erworben hatte. Hieraus ergab sich ein Gewinn von
ca. 447.000 €. T begehrte eine Minderung des Gewinns auf ca. 425.000
€, weil sie den vom Finanzamt angesetzten gemeinen Wert für überhöht
hielt.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt, weil er den Verkauf für überhaupt
nicht steuerpflichtig hielt:

  • Der Verkauf durch T im Jahr 2002 war nicht steuerpflichtig.
    Denn T selbst war in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich beteiligt
    gewesen. Sie hatte die Beteiligung erst im Jahr 2000 erlangt und war seitdem
    durchgängig mit lediglich 0,52 % beteiligt, nicht aber mit mindestens 1 % (in
    den Jahren 2001 und 2002) bzw. 10 % (im Jahr 2000).

  • Da T die Anteile im Umfang von 40 % unentgeltlich erlangt
    hatte, wäre die Steuerbarkeit auch dann zu bejahen, wenn M innerhalb der
    letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt gewesen wäre. Die Prüfung einer
    wesentlichen Beteiligung der M innerhalb des Fünfjahreszeitraums muss aber
    veranlagungszeitraumbezogen erfolgen. Das
    heißt, es ist anhand der in den fünf Jahren jeweils geltenden
    Wesentlichkeitsgrenze zu prüfen, ob M in einem der Jahre wesentlich beteiligt
    war. Bis einschließlich 2000 galt eine Wesentlichkeitsgrenze von 10 %, die M
    nicht erreicht hat, da sie bis einschließlich 2000 nur mit 1,04 % beteiligt
    war. Seit 2001 galt eine Wesentlichkeitsgrenze von 1 %, die M ebenfalls nicht
    erreicht hat, da sie nur mit 0,52 % beteiligt war.

Hinweise: Obwohl der Verkauf
nicht steuerpflichtig war, muss die T einen Gewinn von ca. 427.000 €
versteuern. Denn sie hatte nur einen Klageantrag auf Minderung des Gewinns auf
427.000 € gestellt. Der BFH durfte über diesen Antrag aus
verfahrensrechtlichen Gründen nicht hinausgehen. Hätte T beantragt, dass kein
Gewinn zu berücksichtigen ist, hätte sie in vollem Umfang gewonnen und müsste
ihren Gewinn nicht versteuern.

Zu beachten ist aber, dass seit 2009 auch ein Gewinn aus
Anteilsverkäufen im Fall einer nicht wesentlichen Beteiligung versteuert werden
muss, und zwar als Einkünfte aus
Kapitalvermögen
. Der Streitfall betraf jedoch das Jahr 2002.
Der Fall hatte beim BFH lange geruht, weil der BFH eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Absenkung der
Wesentlichkeitsgrenze abgewartet hat.

Befindet sich die Beteiligung an einer GmbH im Betriebsvermögen,
ist ein Gewinn aus dem Verkauf in jedem Fall steuerpflichtig, weil es dann
nicht auf die Beteiligungshöhe ankommt. Der Gewinn ist dann entweder zu 40 %
steuerfrei, wenn der Verkäufer ein Einzelunternehmer oder eine
Personengesellschaft ist, oder aber zu 95 % steuerfrei, wenn der Verkäufer eine
Kapitalgesellschaft ist.

Quelle: BFH, Urteil vom 12.3.2024 – IX R 9/23;
NWB