Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann anzunehmen sein, wenn der
Gesellschafter einen Aufwand, den er üblicherweise tragen müsste, nicht tragen
muss, weil die GmbH die Aufwendungen trägt und gegenüber dem Gesellschafter
keinen Ersatzanspruch geltend macht.
Hintergrund: Eine verdeckte
Gewinnausschüttung liegt bei einer Vermögensminderung oder auch verhinderten
Vermögensmehrung einer Kapitalgesellschaft vor, die durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht zu einer offenen
Gewinnausschüttung gehört. Die verdeckte Gewinnausschüttung erhöht das
Einkommen der Kapitalgesellschaft. Ein typisches Beispiel für eine verdeckte
Gewinnausschüttung ist ein überhöhtes Gehalt für den
Gesellschafter-Geschäftsführer oder die Gewährung eines zinslosen Darlehens an
den Gesellschafter.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine GmbH und gehörte zu einem U.S.-amerikanischen Konzern; Konzernmutter war
die X. Die Klägerin schloss in den Jahren 2004 und 2006 Verträge mit dem in
Venezuela ansässigen Unternehmen Y. Im Jahr 2007 beschlossen die USA ein
Wirtschaftsembargo gegenüber Venezuela. Die X forderte nun die Klägerin zur
vorzeitigen Beendigung der mit Y geschlossenen Verträge auf. Daraufhin erhob Y
eine Schadensersatzklage gegen die Klägerin; das Verfahren wurde ab 2009 als
Schiedsverfahren fortgeführt. Die Klägerin musste im Streitjahr 2011
Verfahrenskosten für das Schiedsverfahren zahlen und bildete bereits ab 2009
eine Rückstellung in ihrem Jahresabschluss für die drohende
Schadensersatzverpflichtung, die sie in den Folgejahren 2010 und 2011 erhöhte.
Im Jahr 2012 kam es zu einem Vergleich. Das Finanzamt sah in der Zahlung der
Verfahrenskosten sowie in der Zuführung zur Rückstellung im Jahr 2011 eine
verdeckte Gewinnausschüttung und begründete dies damit, dass die Stornierung
der Verträge allein im Interesse der X gelegen habe.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine verdeckte Gewinnausschüttung für denkbar und
verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück:
-
Allein die Zahlung der Verfahrenskosten im Jahr 2011 oder die
Zuführung zur Rückstellung wegen einer drohenden Schadensersatzverpflichtung
führte nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Denn sowohl die
Verfahrenskosten als auch die drohende Schadensersatzpflicht beruhten auf einer
eigenen rechtlichen Verpflichtung der Klägerin gegenüber einem fremden Dritten
(Justizkasse bzw. Y). Daher war eine Veranlassung durch das
Gesellschaftsverhältnis zu verneinen. -
Denkbar ist jedoch der Ansatz einer verdeckten
Gewinnausschüttung unter dem Gesichtspunkt einer Aufwandsersparnis der X. An
sich hätte die Konzernmutter der Klägerin die Verfahrenskosten tragen und den
Schadensersatz an die Y leisten müssen, weil die X die Klägerin zur Stornierung
der Verträge veranlasst hat. Dadurch, dass die Klägerin die Kosten tragen
musste und keinen Erstattungsanspruch gegen die X geltend gemacht hat, hat sich
die X eigenen Aufwand erspart. Diese Ersparnis war durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst und hat bei der Klägerin eine
Vermögensmehrung verhindert. -
Die verdeckte Gewinnausschüttung ist in dem Jahr anzusetzen,
in dem der Erstattungsanspruch hätte bilanziert werden müssen. Dies war
hinsichtlich der im Jahr 2011 gezahlten Verfahrenskosten sowie der im
Jahresabschluss 2011 vorgenommenen Zuführung zur Rückstellung das Streitjahr
2011.
Hinweis: Der BFH gab der Klage
aber nicht statt, sondern verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, weil
die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis noch nicht
abschließend feststand. Es ist nämlich denkbar, dass die
Stornierung der Verträge nicht von der X ausging, sondern aus dem
U.S.-amerikanischen Embargo folgte, da die Klägerin zu einem
U.S.-amerikanischen Konzern gehörte. In diesem Fall wären die Veranlassung
durch das Gesellschaftsverhältnis und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung
zu verneinen. Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob sich die Verpflichtung zum
Vertragsbruch aus dem Embargo ergab.
Quelle: BFH, Urteil vom 22.5.2024 – I R 2/21; NWB
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