Teilen die Miterben den Nachlass dergestalt auf, dass einer der
Miterben erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen erhält und der andere
Miterbe nicht begünstigtes Vermögen bekommt, kann der Miterbe, der begünstigtes
Vermögen erhält, die erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen wie z.B. Freibeträge
in Anspruch nehmen. Erforderlich ist, dass die Übertragung der begünstigten
Vermögenswerte im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Dies setzt nicht
zwingend eine Teilung des Nachlasses innerhalb von sechs Monaten nach dem
Erbfall voraus.
Hintergrund: Erbschaftsteuerlich
sind bestimmte Arten des Vermögens begünstigt, so dass z.B. Freibeträge oder
Steuerbefreiungen gewährt werden. So ist etwa das vererbte Familienheim
steuerfrei, wenn der Erbe es unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt, oder das
Betriebsvermögen zu 85 % steuerfrei.
Das Gesetz lässt bei mehreren Erben (Miterben) einen sog.
Begünstigungstransfer zu. Mehrere Miterben können den Nachlass so teilen, dass
einer der Miterben begünstigtes Vermögen erhält, während der andere Miterbe
nicht begünstigtes Vermögen erhält. Dem zuerst genannten Miterben, der
begünstigtes Vermögen erbt, stehen dann auch die steuerlichen Vergünstigungen
zu.
Sachverhalt: Der Kläger und sein
Bruder erbten im Dezember 2015 den Nachlass ihrer kurz hintereinander
verstorbenen Eltern jeweils zur Hälfte. Zum Nachlass gehörten u.a. ein
Familienheim, mehrere Mietimmobilien und verschiedene Beteiligungen an
unternehmerisch tätigen Gesellschaften.
Im Februar 2018 übertrugen der Kläger und sein Bruder untereinander
mehrere Grundstücke, so dass der Kläger fast alle Grundstücke erhielt. Der
Kläger erhielt zudem die hälftige Beteiligung an einer KG sowie die weiteren
Gesellschaftsbeteiligungen. Der Kläger beantragte beim Finanzamt, die bisherige
Erbschaftsteuerfestsetzung zu seinen Gunsten zu ändern, indem die steuerlichen
Vergünstigungen auf Grundlage der Nachlassteilung vom Februar 2018
berücksichtigt werden sollten. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil die Teilung
nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt war.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
-
Dem Kläger standen die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen
für die Nachlassgegenstände zu, die er aufgrund der Teilung des Nachlasses im
Februar 2018 erhalten hatte. -
Die Übertragung der begünstigten Grundstücke und
Gesellschaftsbeteiligungen auf den Kläger ist nämlich im Rahmen der Teilung des
Nachlasses erfolgt, da der Bruder nicht begünstigtes Vermögen im Gegenzug
erhalten hat. -
Eine Frist für die Teilung des Nachlasses
sieht das Gesetz nicht vor. Für die von der Finanzverwaltung
vertretene Auffassung, dass die Teilung innerhalb von sechs Monaten erfolgen
müsse, gibt es keine Rechtsgrundlage. Vielmehr genügt ein
innerer Zusammenhang zum Erbfall. Der
zeitliche Abstand zum Erbfall bildet nur ein Indiz. Je nach Umfang des
Nachlasses und nach den Schwierigkeiten bei der Bewertung des Nachlasses kann
auch bei einem über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum noch von einer
Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses gesprochen werden. -
Im Streitfall ließ sich die Dauer der Teilung damit erklären,
dass beide Eltern plötzlich gestorben waren und daher eine Vielzahl
steuerrechtlicher und bewertungsrechtlicher Fragen beantwortet werden mussten.
Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung des Vermögens auf den
Kläger auf einem neuen Entschluss der beiden Brüder beruhte.
Hinweise: Der Kläger erhielt
somit die Vergünstigungen für das Betriebsvermögen (85 % Steuerbefreiung), für
die vermieteten Grundstücke (10 % Steuerbefreiung) sowie für das selbstgenutzte
Familienheim (100 % Steuerbefreiung). Für die Steuerbefreiung für das
Familienheim ist Voraussetzung, dass der Erbe beabsichtigt, die Wohnung selbst
zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und dass er diese Absicht auch tatsächlich
umgehend umsetzt; dies muss nach der Rechtsprechung des BFH in der Regel
innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall geschehen. Bei einem
Begünstigungstransfer wie im Streitfall ist außerdem erforderlich, dass die
anderen Miterben (hier also der Bruder des Klägers) selbst keinen
Selbstnutzungswillen haben und das Familienheim auch nicht selbst nutzen.
Im Ergebnis wird der Kläger aufgrund des Begünstigungstransfers so
gestellt, als habe er von Anfang an begünstigtes Vermögen erhalten.
Quelle: BFH, Urteil vom 15.4.2024 – II R 12/21; NWB
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