Die Aufwendungen für einen zivilrechtlichen Prozess wegen einer
drohenden Rückabwicklung der Schenkung eines Forstbetriebs sind als
außergewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn die Rückabwicklung die
Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen
gefährden
würde. Diese Gefährdung ist anzunehmen, wenn der
Verlust von mindestens 85 % des ertragbringenden Vermögens zu befürchten ist.

Hintergrund: Außergewöhnliche
Belastungen sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig
entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder
Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder
Hochwasser. Nach dem Gesetz sind Prozesskosten vom Abzug ausgeschlossen, es sei
denn, dass der Steuerpflichtige Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu
verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht
mehr befriedigen zu können.

Sachverhalt: Der Kläger war
ursprünglich angestellter Forstwirt. Seine Arbeitgeberin war die N, die ihm den
Forstbetrieb zum 1.1.2015 unentgeltlich gegen Altenteilleistungen übertrug. Auf
den Nutzflächen befanden sich noch drei Einfamilienhäuser. Der Kläger führte
den Forstbetrieb fort und vermietete die Einfamilienhäuser. Außerdem kaufte der
Kläger im Februar 2015 von N noch deren Pferdehof. Im Jahr 2018 verlangte N,
vertreten von ihrem Betreuer, die Rückübertragung des Forstbetriebs und des
Reiterhofs mit der Begründung, N habe bei der Übertragung an Demenz gelitten.
Es kam hinsichtlich der Klage bezüglich des Reiterhofs zu einer Klageabweisung,
und hinsichtlich des Forstbetriebs zu einem Vergleich, so dass der Kläger den
Forstbetrieb zwar behalten durfte, aber die drei Einfamilienhäuser
zurückgegeben musste; dies erfüllte er dann durch Zahlung eines Ablösebetrags.
Dem Kläger entstanden im Streitjahr 2018 Prozesskosten für seinen Rechtsanwalt
sowie für einen Gutachter in Höhe von insgesamt ca. 18.000 €, die er als
außergewöhnliche Belastungen geltend machte. Das Finanzamt erkannte die
außergewöhnlichen Belastungen nicht an und begründete dies damit, dass
Prozesskosten grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen
ausgeschlossen seien.

Entscheidung: Das
Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Aufwendungen für das Gerichtsverfahren waren dem Kläger
    zwangsläufig entstanden und daher als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

  • Hätte der Kläger den Prozess nicht geführt, wäre er Gefahr
    gelaufen, seine Existenzgrundlage, den Forstbetrieb, zu verlieren.
    Existenzgrundlage ist die materielle Lebensgrundlage, die den wesentlichen Teil
    des ertragbringenden Vermögens ausmacht. Eine Gefährdung liegt vor, wenn ein
    Verlust von mindestens 85 % des ertragbringenden Vermögens des
    Steuerpflichtigen droht. Eine Quote von 85 % wird auch in anderen
    Rechtsgebieten anerkannt, etwa bei der Einwilligung des Ehegatten bei
    Verpflichtungen über das Vermögen im Ganzen, so dass eine Verpflichtung zur
    Übertragung des Vermögens zustimmungsfrei ist, wenn mindestens 15 %
    Restvermögen verbleiben.

  • Der Forstbetrieb machte den wesentlichen ertragbringenden Teil
    des Vermögens des Klägers aus. Der Kläger erzielte nämlich im Wesentlichen
    Einkünfte aus dem Forstbetrieb. Seine übrigen Einkünfte, die nicht von einer
    Rückabwicklung betroffen wären, beliefen sich auf lediglich 3.647 € und
    betrugen nur ca. 2,5 % der gesamten Einkünfte. Das nicht vom
    Rückübertragungsanspruch betroffene ertragbringende Vermögen verblieb somit
    unterhalb einer Restvermögensquote von 15 %.

Hinweise: Der Anerkennung als
außergewöhnliche Belastungen steht nicht entgegen, dass es um eine Schenkung
ging. Denn die Schenkung betraf die materielle Lebensgrundlage des Klägers, der
seine Angestelltentätigkeit für N nicht mehr ausüben konnte, nachdem er ihren
Forstbetrieb übernommen hatte.

Das Gericht folgte nicht der Argumentation des Finanzamts, dass die
materielle Existenzgrundlage in Deutschland aufgrund der sozialen
Sicherungssysteme stets gewährleistet sei. Dem Steuerpflichtigen ist es nämlich
zuzugestehen, seine Lebensgrundlage selbst zu erwirtschaften, ohne auf
Sozialleistungen angewiesen zu sein.

Dem FG zufolge kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, die
Schenkung angenommen zu haben. Immerhin hatte der beurkundende Notar keine
Mängel der Geschäftsfähigkeit der N festgestellt, obwohl er Zweifel an der
Geschäftsfähigkeit in der Schenkungsurkunde hätte festhalten müssen.

Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.5.2024 – 9 K 28/23,
Rev. beim BFH: Az. VI R 22/24; NWB