Der Abriss eines
formaldehydbelasteten Einfamilienhauses, das den zulässigen Grenzwert
geringfügig überschreitet, und der anschließende Neubau führen nicht zu
außergewöhnlichen Belastungen, wenn der Abriss nicht notwendig war, sondern die
Belastung mit Formaldehyd durch weniger aufwendige Maßnahmen hätte beseitigt
werden können.

Hintergrund: Zu den
außergewöhnlichen Belastungen gehören Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen
zwangsläufig entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder
Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder
Hochwasser.

Sachverhalt: Der Kläger
erwarb vor 2002 ein Grundstück, das mit einem Einfamilienhaus bebaut war, zum
Kaufpreis von 565.000 DM. Das Einfamilienhaus nutzte der Kläger zu 73,85 % zu
eigenen Wohnzwecken und vermietete es im Übrigen. Im Jahr 2017 ließ der Kläger
das Haus baubiologisch untersuchen. Der Gutachter stellte im Rahmen eines sog.
Kurzberichts eine Formaldehydkonzentration von 0,112 ppm fest, die über dem
Grenzwert von 0,1 ppm lag. Der Gutachter schlug verschiedene
Reduzierungsmaßnahmen wie z.B. Abdichtungen vor. Der Kläger entschied sich
jedoch für den Abriss des Hauses und ließ einen Neubau errichten. Ihm
entstanden hierbei Kosten für den Abriss und Neubau in Höhe von ca. 260.000
€, die er im Umfang der Selbstnutzung von 73,85 % als außergewöhnliche
Belastungen geltend machte. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen
Belastungen nicht an.

Entscheidung: Das
Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Zwar können Aufwendungen für
    die Beseitigung einer konkreten Gesundheitsgefährdung, die von einem
    existenznotwendigen Gegenstand wie einem Einfamilienhaus ausgehen,
    außergewöhnliche Belastungen sein. Hierzu kann auch die Beseitigung einer
    Belastung durch Formaldehyd gehören.

  • Die vom Steuerpflichtigen
    getroffenen Maßnahmen müssen aber notwendig
    sein, um die Formalaldehydbelastung zu beseitigen.

  • An der Notwendigkeit fehlte es
    im Streitfall. So war bereits nicht erkennbar, ob die Belastung mit Formaldehyd
    vom gesamten Haus oder nur von einzelnen Bauteilen ausging, etwa von den
    Holzbalken oder den Spanplatten.

  • Zudem hatte der Gutachter nur
    Minimierungsmaßnahmen empfohlen, um die Belastung mit Formaldehyd unter den
    zulässigen Grenzwert von 0,1 ppm zu senken. Zu den empfohlenen Maßnahmen
    gehörten die Abdichtung von Fugen und Öffnungen sowie eine Verbesserung der
    Ent- und Belüftung. Einen Abriss und Neubau hatte der Gutachter nicht
    vorgeschlagen.

Hinweis: Der Kläger hatte
noch ein ärztliches Attest vorlegt, das dem FG aber nicht konkret genug war, da
detaillierte Angaben zum zeitlichen Verlauf und zur Schwere der Krankheiten, zu
den bereits eingetretenen Gesundheitsschäden sowie zum Zusammenhang zwischen
den Symptomen und der Formaldehydkonzentration fehlten.

Das FG lehnte es auch ab, die
Kosten, die bei Durchführung der vom Gutachter vorgeschlagenen
Minimierungsmaßnahmen entstanden wären, als außergewöhnliche Belastungen zu
berücksichtigen. Denn der Besteuerung darf nur der tatsächlich
verwirklichte Sachverhalt
zugrunde gelegt werden.

Hätte das FG den Abriss und Neubau
für notwendig erachtet, wäre ein Abzug „neu für alt“ erforderlich
geworden. Der Kläger hätte sich also die bei einem Neubau ergebende
Wertverbesserung im Wege des sog. Vorteilsausgleichs anrechnen lassen müssen.

Quelle: FG Baden-Württemberg,
Urteil vom 1.2.2024 – 1 K 1855/21; NWB