Steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Ermessen des
Finanzamts, darf das Finanzamt bei seiner Entscheidung, ob es einen
Verspätungszuschlag festsetzt (Entschließungsermessen), berücksichtigen, dass
der Steuerpflichtige wiederholt seine Erklärungspflichten verletzt hat.

Hintergrund: Bei verspäteter
Abgabe einer Steuererklärung droht ein Verspätungszuschlag. In den meisten
Fällen ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zwingend. In bestimmten
Fällen steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags jedoch im Ermessen des
Finanzamts, z.B. wenn die Steuer auf Null festgesetzt worden ist. Der
Verspätungszuschlag beträgt für jeden Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 %
der festgesetzten Steuer, mindestens aber 25 € pro Monat.

Sachverhalt: Ein
steuerpflichtiger Verein gab die Körperschaftsteuererklärung für 2019 nicht ab,
so dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Für das Jahr 2020
forderte das Finanzamt den Verein vorzeitig zur Abgabe der Steuererklärung bis
zum 8.4.2022 auf. Diese Frist verstrich erfolglos, so dass das Finanzamt die
Besteuerungsgrundlagen auf Null schätzte und die Körperschaftsteuer auf Null
festsetzte. Außerdem setzte es am 8.7.2022 einen Verspätungszuschlag in Höhe
von 100 € fest; das Finanzamt begründete dies damit, dass der Verein
bereits für 2019 seine Steuererklärung verspätet abgegeben habe. Am 22.8.2022
reichte der Verein dann die Körperschaftsteuererklärung ein und wandte sich nun
gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags.

Entscheidung: Das Finanzgericht
Berlin-Brandenburg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Verein hatte die Körperschaftsteuererklärung verspätet
    abgegeben, da er vorzeitig zur Abgabe der Steuererklärung bis zum 8.4.2022
    aufgefordert worden war, die Erklärung aber tatsächlich erst am 22.8.2022
    eingereicht hat, also um vier Monate verspätet.

  • Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags stand im Ermessen
    des Finanzamts, weil die Steuer auf Null festgesetzt worden war. Es stand damit
    im Ermessen des Finanzamts, ob es einen Verspätungszuschlag festsetzt (sog.
    Entschließungsermessen) und in welcher Höhe es den Verspätungszuschlag
    festsetzt (sog. Auswahlermessen).

  • Das Finanzamt hat sein Entschließungsermessen fehlerfrei
    ausgeübt. Zwar ergeben sich aus dem Gesetz keine Kriterien für die Ausübung des
    Entschließungsermessens, sondern nur für die Ausübung des Auswahlermessens,
    also bei der Entscheidung über die Höhe des Verspätungszuschlags.

  • Entscheidend ist daher der
    Gesetzeszweck: Danach soll mit der
    Festsetzung eines Verspätungszuschlags zum einen Druck auf den
    Steuerpflichtigen für die rechtzeitige Abgabe der Erklärung in der Zukunft
    ausgeübt werden; zum anderen soll auch der Vorteil des Steuerpflichtigen aus
    der verspäteten Abgabe der Steuererklärung abgeschöpft werden.

  • Wird die Steuer wie im Streitfall auf Null festgesetzt, geht
    es nur um die Ausübung von Druck, um für die Zukunft die fristgerechte Abgabe
    von Steuererklärungen zu erwirken. Das Finanzamt durfte daher auf die bereits
    im Vorjahr verspätet abgegebene Steuererklärung abstellen und einen
    Verspätungszuschlag festsetzen, um Druck zu erzeugen, damit der Verein
    jedenfalls ab 2021 seine Steuererklärung pünktlich abgibt.

  • Gegen die Höhe des Verspätungszuschlags gab es keine
    Einwendungen. Der Verein hatte die Körperschaftsteuererklärung vier Monate zu
    spät abgegeben. Die Höhe des Verspätungszuschlags von 100 € entsprach
    einer Verzögerung um vier Monate bei Anwendung des Mindestsatzes von 25
    € pro Monat, der bei einer Null-Festsetzung heranzuziehen ist.

Hinweise: Das FG hat die
Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, weil bislang umstritten ist, welche
Kriterien bei der Ausübung des Entschließungsermessens zu beachten sind.
Während das FG im Streitfall auf die wiederholt verspätete Abgabe der
Steuererklärung abgestellt hat, wird auch die Auffassung vertreten, dass es auf
Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des Zahlungsanspruchs, die aus der
verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile, auf das Verschulden
oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ankommen
könne.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.11.2024 – 8 K
8046/23, Rev. beim BFH: Az. XI R 31/24; NWB