Eine körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft
setzt die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft (Tochtergesellschaft)
in den Organträger (Muttergesellschaft) und damit die
Stimmenmehrheit des Organträgers bei der
Organgesellschaft voraus. Ist nach der Satzung der Organgesellschaft für
Beschlüsse der Organgesellschaft eine qualifizierte Stimmenmehrheit
erforderlich, die höher ist als die Stimmenmehrheit des Organträgers, besteht
keine finanzielle Eingliederung und damit auch keine
Organschaft.
Hintergrund: Bei einer
körperschaftsteuerlichen Organschaft wird das Ergebnis der Organgesellschaft
dem Organträger steuerlich zugerechnet und von diesem versteuert. Voraussetzung
für eine körperschaftsteuerliche Organschaft ist u. a. die
finanzielle Eingliederung der
Organgesellschaft in den Organträger sowie der Abschluss eines
Gewinnabführungsvertrags, durch den sich die
Organgesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an den Organträger
abzuführen.
Sachverhalt: Die A-GmbH war mit
79,8 % an der B-GmbH beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der B-GmbH war
für Beschlüsse eine Mehrheit von 91 % aller in der Gesellschaftsversammlung
anwesenden Stimmen erforderlich. Ende 2013 schlossen die A-GmbH und die B-GmbH
einen Gewinnabführungsvertrag und machten für die Streitjahre 2014 bis 2016
eine Organschaft geltend, sodass die A-GmbH das Einkommen der B-GmbH versteuern
sollte. Das Finanzamt verneinte in einem negativen Feststellungsbescheid sowohl
gegenüber der A-GmbH als auch gegenüber der B-GmbH das Bestehen einer
Organschaft. Hiergegen klagten die A-GmbH und die B-GmbH.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage der beiden GmbH ab:
-
Zwar genügt für die finanzielle Eingliederung einer
Organgesellschaft in den Organträger grundsätzlich die einfache Mehrheit der
Stimmrechte. -
Dies gilt aber nicht, wenn es bei der Organgesellschaft ein
qualifiziertes Mehrheitserfordernis gibt, d. h. für Beschlüsse der
Organgesellschaft eine höhere als die einfache Stimmenmehrheit erforderlich
ist. Der Gesetzgeber hat nämlich bewusst nicht auf die Mehrheit der Anteile und
damit auf die einfache Stimmenmehrheit abgestellt. -
Im Streitfall hatte die A-GmbH zwar eine Stimmenmehrheit von
79,8 %, aber bei der B-GmbH war eine Stimmenmehrheit von 91 % erforderlich, die
die A-GmbH nicht erreichte. Damit bestand keine finanzielle
Eingliederung, sodass die Organschaft für die Streitjahre
2014 bis 2016 zu verneinen war. Dies hat zur Folge, dass die von der B-GmbH an
die A-GmbH abgeführten Gewinne als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Einkommen
der B-GmbH hinzuzurechnen waren und die B-GmbH hierauf Körperschaftsteuer
entrichten muss.
Hinweise: Offen blieb, ob eine
finanzielle Eingliederung auch dann zu verneinen gewesen wäre, wenn nur für
einen Teil der Beschlüsse bei der B-GmbH eine qualifizierte Mehrheit
erforderlich gewesen wäre, für den anderen Teil der Beschlüsse aber eine
einfache Mehrheit genügen würde.
Lehnt das Finanzamt die körperschaftsteuerliche Organschaft in
einer sog. einheitlichen und gesonderten Feststellung ab, in der über das
Bestehen einer Organschaft sowohl gegenüber dem möglichen Organträger als auch
gegenüber der möglichen Organgesellschaft entschieden wird, können – wie
im Streitfall – sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft
hiergegen klagen und die Aufhebung der negativen Feststellung
verlangen.
Quelle: BFH, Urteil vom 9.8.2023 – I R 50/20; NWB
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