Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat ernstliche Zweifel an
der Rechtmäßigkeit der auf den 1.1.2022 bundesweit vorzunehmenden
Grundstücksbewertung, die die Grundlage für die neue Grundsteuer zum 1.1.2025
ist. Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung gewährt und die Beschwerde zum
Bundesfinanzhof zugelassen.
Hintergrund: Die Grundsteuer
wird aus verfassungsrechtlichen Gründen derzeit reformiert, da die bisherigen
Grundstücksbewertungen, die die Grundlage für die Grundsteuer waren, nicht mehr
die zutreffenden Werte abbildeten, sondern veraltet waren. Deshalb werden zum
Stichtag 1.1.2022 alle Grundstücke in der Bundesrepublik neu bewertet. Auf der
Grundlage dieser Bewertung wird dann ab dem 1.1.2025 die Grundsteuer neu
festgesetzt werden.
Sachverhalte: Dem FG lagen zwei
Sachverhalte zu Grunde, bei denen die Bewertung nach dem sog.
Bundesmodell vorgenommen wurde. Im ersten
Fall ging es um ein 1880 errichtetes Einfamilienhaus, das seit Jahrzehnten
nicht mehr renoviert worden war. Das Finanzamt legte den gesetzlich normierten
Mietwert zu Grunde und gelangte zu einem Grundsteuerwert von 91.600 €.
Der Antragsteller hielt den Mietwert für überhöht und beantragte im Umfang des
überhöhten Betrags die Aussetzung der Vollziehung.
Im zweiten Fall ging es um ein 1977 errichtetes Einfamilienhaus,
das an einem Hang in zweiter Reihe lag und nur über einen Privatweg erreichbar
war. Das Finanzamt legte der Bewertung zum 1.1.2022 den Bodenrichtwert von 300
€/qm zu Grunde und bewerte das 1.053 qm große Grundstück mit 318.800
€. Der Antragsteller machte einen Abschlag auf den Bodenrichtwert in
Höhe von 30 % geltend und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.
Entscheidung: Das FG gab beiden Anträgen auf Aussetzung der
Vollziehung statt:
-
Die Aussetzung der Vollziehung setzt ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheids voraus. Diese ernstlichen Zweifel waren in beiden
Fällen zu bejahen. -
So bestehen bereits Bedenken, ob die rheinland-pfälzischen
Gutachterausschüsse, die an der Ermittlung der Bodenrichtwerte beteiligt sind,
wirklich unabhängig sind; die Möglichkeit
einer Einflussnahme kann nach den Regelungen über die Zusammensetzung der
Ausschüsse nicht ausgeschlossen werden. Zudem könnte auch die Datengrundlage
für die Ermittlung der Bodenrichtwerte zweifelhaft sein, weil
Datenlücken zu befürchten sind. -
Die Bodenrichtwerte müssen zudem häufig aus einem
Gesamtkaufpreis, der für ein bebautes Grundstück gezahlt wird, abgeleitet
werden. Hier droht ein sog. Vollzugsdefizit, weil die Gutachterausschüsse den
Sachverhalt nicht hinreichend ermitteln und
die Angaben in den Kaufverträgen nicht hinreichend
überprüfen können. -
Weiterhin können durch die typisierte und pauschale Bewertung
erhebliche Härten entstehen, weil die
individuellen Umstände des einzelnen Grundstücks unberücksichtigt bleiben und
nicht durch ein Gutachten belegt werden dürfen. -
Die neue Grundstücksbewertung dürfte einerseits zu einer
systematischen Überbewertung von Immobilien in schlechteren Lagen bzw. in
schlechterem Zustand und andererseits zu einer systematischen Unterbewertung
von Immobilien in guter Lage bzw. gutem Zustand führen.
Hinweise: Es handelt sich um
Beschlüsse im Eilverfahren. Ob die neue Grundstücksbewertung nach dem
Bundesmodell tatsächlich verfassungswidrig ist, kann nur das
Bundesverfassungsgericht beurteilen, das bislang noch nicht angerufen worden
ist. Bis dahin besteht also erhebliche Rechtsunsicherheit. Zudem ist noch nicht
bekannt, ob die Grundsteuer-Hebesätze ab dem 1.1.1925 von den einzelnen
Gemeinden gesenkt werden; der Umfang der steuerlichen Auswirkung der
Grundsteuerreform ist also noch nicht klar. Solange die Grundsteuer zu den
umlagefähigen Betriebskosten gehört, trägt bei vermieteten Immobilien der
Mieter die Grundsteuer.
Die Aussetzung der Vollziehung führt in den beiden Verfahren dazu,
dass die Grundsteuer ab dem 1.1.2025 auf der Grundlage der niedrigeren, von den
Antragstellern geltend gemachten Grundstückswerten vorläufig festzusetzen ist.
Das FG hat die Beschwerde zum BFH zugelassen, so dass die aktuellen
Beschlüsse noch nicht rechtskräftig sind.
Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 23.11.2023 – 4
V1295/23 und 4 V 1429/23; NWB
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