Kosten für die Unterbringung eines Schwerstbehinderten in einer
Pflege-Wohngemeinschaft sind als außergewöhnliche Belastungen absetzbar.
Allerdings sind die außergewöhnlichen Belastungen um die sog.
Haushaltsersparnis zu kürzen, die derzeit 10.908 € beträgt.

Hintergrund: Aufwendungen, die
dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus
rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die
notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen
abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind
Krankheitskosten.

Sachverhalt: Der Kläger war seit
2007 schwerstbehindert. Sein Schwerbehindertenausweis wies einen
Behinderungsgrad von 100 sowie die Merkzeichen G für
„gehbehindert“ und H für „hilflos“ aus. Der Kläger
wohnte seit 2015 in einer sog. Pflege-Wohngemeinschaft, in der er rund um die
Uhr von einem ambulanten Pflegedienst betreut und gepflegt wurde. Von der
Pflegekasse erhielt er seit 2015 einen Wohngruppenzuschlag, der unmittelbar an
den Pflegedienst ausgezahlt wurde. In seiner Einkommensteuererklärung für 2016
machte der Kläger die von ihm für die Pflege-Wohngemeinschaft getragenen
Aufwendungen sowie den erhöhten Behinderten-Pauschbetrag geltend. Das Finanzamt
erkannte die Aufwendungen für die Pflege-Wohngemeinschaft nicht an, weil es
sich hierbei nicht um ein Heim, sondern um ein eine sog. selbstverantwortete
Wohngemeinschaft gehandelt habe.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) folgte der Auffassung des Finanzgerichts und erkannte die
Aufwendungen für die Pflege-Wohngemeinschaft, gekürzt um die sog.
Haushaltsersparnis, an:

  • Zu den außergewöhnlichen Belastungen gehören u.a. sowohl
    Krankheitskosten als auch die Aufwendungen für die krankheits- oder
    pflegebedingte Unterbringung des Steuerpflichtigen in einer entsprechenden
    Einrichtung.

  • Der Kläger war aufgrund seiner schweren Behinderung
    pflegebedürftig. Die Unterbringung in der Pflege-Wohngemeinschaft war eine
    Folge seiner Pflegebedürftigkeit, so dass die Kosten hierfür dem Kläger
    zwangsläufig entstanden sind.

  • Für die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen ist nicht
    erforderlich, dass der Betreiber der Pflege-Wohngemeinschaft neben dem Wohnraum
    auch Betreuungsleistungen zur Verfügung stellt und damit eine Gesamtversorgung
    „aus einer Hand“ erbringt. Vielmehr genügt es, wenn der
    pflegebedürftige Steuerpflichtige die Betreuungs-, Pflege- und
    Versorgungsleistungen von mehreren Leistungsanbietern erhält. Irrelevant ist
    ferner, ob es sich um eine sog. anbieterverantwortete oder um eine sog.
    selbstverantwortete Wohngemeinschaft handelt; denn beide Arten der
    Wohngemeinschaft dienen der Betreuung und Pflege von Kranken bzw. Behinderten.

Hinweis: Die geltend gemachten
Kosten waren um die sog. Haushaltsersparnis zu kürzen, die im Streitjahr 2016
8.652 € betrug (aktuell: 10.908 €). Dabei handelt es sich um den
Betrag, der auch einem gesunden Menschen für die Lebensführung entsteht.

Neben den sich danach ergebenden außergewöhnlichen Belastungen
konnte der Behinderten-Pauschbetrag nicht zusätzlich berücksichtigt werden;
denn der Behinderten-Pauschbetrag kann nach dem Gesetzeswortlaut nur anstelle
außergewöhnlicher Belastungen angesetzt werden.

Quelle: BFH, Urteil vom 10.8.2023 – VI R 40/20; NWB