Macht eine Personengesellschaft im Einspruchsverfahren gegen ihren
Umsatzsteuerbescheid geltend, dass sie nach geänderter Rechtsprechung eine
Organgesellschaft sei und dass daher nur der Organträger Umsatzsteuer schulde,
setzt die Aufhebung ihres Umsatzsteuerbescheids voraus, dass der Organträger
einen Antrag auf Änderung seiner Umsatzsteuerfestsetzung zu seinen Ungunsten
stellt.
Hintergrund: Eine
umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen
(Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein
anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des
Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur
vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft
geltend macht. Nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht kann zwar nur eine
Kapitalgesellschaft eine Organgesellschaft sein; jedoch erkennen der
Europäische Gerichtshof (EuGH) sowie der Bundesfinanzhof (BFH) nunmehr auch
Personengesellschaften als Organgesellschaften an. Diese
Rechtsprechungsänderung hat dazu geführt, dass Personengesellschaften
nachträglich eine umsatzsteuerliche Organschaft geltend machen können, so dass
gegen sie keine Umsatzsteuer mehr festgesetzt werden darf.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine GmbH & Co. KG. Ihre Mehrheitsgesellschafterin war die TL-GmbH. Die
Klägerin erwarb im Jahr 2016 zahlreiche Fahrzeuge von der TL-GmbH zum Preis von
ca. 4 Mio. € zzgl. Umsatzsteuer. Die TL-GmbH erstellte hierüber eine
Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis. Nachdem das Finanzamt den
Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung nicht anerkannt hatte, machte die Klägerin
eine umsatzsteuerliche Organschaft mit der TL-GmbH geltend, bei der die TL-GmbH
der Organträger sei und daher die Umsatzsteuer schulde, während sie, die
Klägerin, die Organgesellschaft sei.
Entscheidung: Der BFH verwies
die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:
-
Zwar kann nach der geänderten Rechtsprechung des EuGH und des
BFH auch eine KG eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft sein. Es ist nicht
erforderlich, dass sämtliche Gesellschafter der KG in das Unternehmen des
Organträgers finanziell eingegliedert sind. -
Beruft sich eine KG auf die geänderte Rechtsprechung und macht
sie nun geltend, dass sie eine Organgesellschaft sei, kann ihr
Umsatzsteuerbescheid nur dann aufgehoben werden, wenn der Organträger einen
Antrag auf Erhöhung seiner Umsatzsteuerfestsetzung stellt, so
dass die Umsätze der Organgesellschaft jetzt bei ihm miterfasst und versteuert
werden können. -
Der Antrag des Organträgers auf Änderung seiner
Umsatzsteuerfestsetzung zu seinen Ungunsten soll ein
widersprüchliches Verhalten von Organgesellschaft und Organträger
verhindern. Die Organgesellschaft könnte sich nämlich auf
eine umsatzsteuerliche Organschaft berufen und damit die Aufhebung der gegen
sie ergangenen Umsatzsteuerfestsetzung erreichen; hingegen könnte der
Organträger gegen eine Erhöhung seiner Umsatzsteuer um die Umsätze der
Organgesellschaft einwenden, dass eine solche Änderung mit dem gesetzlichen
Vertrauensschutz, der eine Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen aufgrund
höchstrichterlicher Rechtsprechung verbietet, nicht vereinbar ist.
Hinweise: Der BFH hat die Sache
an das FG zurückverwiesen. Das FG muss nun prüfen, ob die TL-GmbH als möglicher
Organträger einen Antrag auf Änderung ihrer Umsatzsteuerfestsetzung zu ihren
Ungunsten gestellt hat. Ferner muss das FG noch die wirtschaftliche
Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen der TL-GmbH prüfen.
Der BFH bestätigt damit seine jüngere Rechtsprechung, die einen
Antrag des Organträgers auf Erhöhung seiner Umsatzsteuer verlangt, damit auf
diese Weise der gesetzliche Vertrauensschutz, der den Organträger vor einer
Erhöhung schützen würde, aufgehoben wird.
Eine Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft ist zwar geplant.
Angesichts der bevorstehenden Neuwahlen ist allerdings nicht absehbar, ob und
wann eine Reform kommen wird.
Quelle: BFH, Urteil v. 5.9.2024 – V R 5/23; NWB
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