Ein sog. Spin-Off einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft, bei
dem ein Unternehmensteil auf eine Tochtergesellschaft übertragen wird und die
Aktionäre im Gegenzug Aktien erhalten, führt beim deutschen Aktionär nicht zu
Kapitalerträgen, wenn der „Spin-Off“ die wesentlichen Merkmale
einer gesetzlich geregelten Abspaltung erfüllt.

Hintergrund: Zu den
Kapitaleinkünften gehören Dividenden ebenso wie Sachausschüttungen, z.B.
zugewiesene Aktien. Der Gesetzgeber behandelt allerdings die Zuweisung von
Aktien im Rahmen einer inländischen Abspaltung nicht als Kapitalertrag.

Sachverhalt: Der in Deutschland
wohnhafte Kläger war Aktionär der Hewlett-Packard-Company (HPC), die ihren Sitz
in Delaware, USA, hatte. Die HPC nannte sich zunächst in HPI um und übertrug
anschließend ihr Unternehmenskundengeschäft auf die HPE, eine
Tochtergesellschaft. Die Aktionäre der HPI und damit auch der Kläger erhielten
dafür im Streitjahr 2015 von der HPI Aktien an der HPE, d.h. Aktien, die
bislang die HPI an der HPE gehalten hatte. Das Finanzamt sah in der Zuweisung
der HPE-Aktien einen steuerpflichtigen Kapitalertrag.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Zu den Kapitalerträgen zählen grundsätzlich auch
    Sachausschüttungen, z.B. Aktien, die der Aktionär aus seiner Beteiligung erhält
    und die auf seinem Depot eingebucht werden. Die eingebuchten HPE-Aktien waren
    in Deutschland auch steuerpflichtig, da der Kläger seinen Wohnsitz in
    Deutschland hatte und daher mit seinem sog. Welteinkommen steuerpflichtig war.
    Zwar gibt es zwischen den USA und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen,
    das eine Doppelbesteuerung verhindern soll; nach diesem Abkommen stand das
    Besteuerungsrecht an den zugewiesenen HPE-Aktien Deutschland als sog.
    Ansässigkeitsstaat zu.

  • Nach dem Gesetz ist die Zuteilung von Aktien jedoch nicht
    steuerpflichtig, wenn die Aktien aufgrund einer Abspaltung nach deutschem Recht
    zugewiesen werden. Diese Regelung gilt dem BFH zufolge auch für ausländische
    Umwandlungen; denn eine Beschränkung nur auf Abspaltungen nach deutschem Recht
    würde gegen die europäische Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen: Ein Deutscher
    könnte sich dann nämlich von Investitionen im Ausland abhalten lassen, wenn er
    Aktienzuweisungen aufgrund einer Abspaltung versteuern müsste, während er bei
    einer Investition in eine deutsche AG eine Steuerpflicht nicht befürchten
    müsste.

  • Allerdings muss der ausländische Umwandlungsvorgang einer
    Abspaltung nach deutschem Recht entsprechen und deren wesentliche
    Strukturmerkmale erfüllen. Es muss also eine Vermögensübertragung gegen
    Übertragung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers erfolgen, und der
    übertragende Rechtsträger muss fortbestehen.

  • Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt: Die HPI
    hatte ihr Unternehmenskundengeschäft auf die HPE übertragen; dabei ist nach dem
    Gesetzeswortlaut nicht erforderlich, dass es sich um einen sog. Teilbetrieb
    handelt. Die HPI bestand anschließend auch fort. Die Aktionäre der HPI, zu
    denen auch der Kläger gehörte, erhielten Aktien an der HPE. Es genügt, dass es
    sich um Aktien handelte, die die HPI bereits vor der Abspaltung innehatte.
    Somit ist es nicht erforderlich, dass neue Aktien von der HPE ausgegeben und
    den Aktionären zugewiesen werden.

Hinweise: Verkauft der Kläger
die ihm zugewiesenen Aktien an der HPE, ist der Veräußerungsgewinn
steuerpflichtig. Dabei werden die Anschaffungskosten, die der Kläger für die
HPI-Aktien aufgewendet hatte, anteilig übernommen. Den Aufteilungsmaßstab hat
der BFH offengelassen, weil ein Verkauf im Streitjahr noch nicht erfolgt war.

Nach deutschem Recht wird eine Abspaltung im Handelsregister des
übertragenden Rechtsträgers eingetragen; hierdurch kommt es zu einer partiellen
Gesamtrechtsnachfolge des übernehmenden Rechtsträgers. Der BFH hielt eine
solche Eintragung im Streitfall nicht für erforderlich, weil es sich um einen
Auslandsfall handelte; anderenfalls wären Aktionäre ausländischer
Aktiengesellschaften in den Fällen beteiligt, in denen der ausländische Staat
keine partielle Gesamtrechtsnachfolge kennt. Der BFH hat offengelassen, ob dies
auch bei Abspaltungen innerhalb der EU gilt.

BFH, Urteile vom 14.10.2021 –
VIII R 9/19, VIII R 28/19, VIII R 6/20, VIII R 15/20, VIII R 19/20, VIII R
27/20; NWB