Stellt eine GmbH eine überhöhte Bescheinigung über eine
Einlagenrückgewähr aus, haftet sie verschuldensunabhängig für die
Kapitalertragsteuer, die auf den überhöhten Betrag entfällt. Das Finanzamt darf
daher gegenüber der GmbH nur einen Haftungsbescheid erlassen, nicht aber einen
Nachforderungsbescheid.
Hintergrund: Die Ausschüttung
einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner führt bei den Anteilseignern zu
steuerpflichtigen Kapitaleinkünften. Die Kapitalgesellschaft muss auf die
Ausschüttung Kapitalertragsteuer einbehalten, anmelden und abführen. Anders ist
dies bei einer sog. Einlagenrückgewähr, d.h. bei der Rückzahlung von Einlagen,
die der Anteilseigner in einem früheren Jahr geleistet hat; diese können
grundsätzlich steuerfrei zurückgewährt werden. Die Höhe der Einlagen ergibt
sich aus dem sog. steuerlichen Einlagekonto, das durch einen Bescheid jährlich
festgestellt wird. Solange aber ein ausschüttbarer Gewinn vorhanden ist, gilt
dieser als ausgeschüttet und muss versteuert werden. Soweit kein ausschüttbarer
Gewinn vorhanden ist, sind für die Steuerfreiheit bestimmte formelle
Anforderungen zu beachten. So muss die Kapitalgesellschaft eine Bescheinigung
über die Einlagenrückgewähr, die Angaben zum Anteilseigner, zur Höhe der
Einlagenrückgewähr und zum Tag enthält, ausstellen.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine GmbH, für die das Finanzamt zum 31.12.2005 ein steuerliches Einlagekonto
in Höhe von ca. 55 Mio. € festgestellt hatte. Die beiden Gesellschafter
der GmbH beschlossen am 30.8.2006 eine Ausschüttung in Höhe von ca. 42 Mio.
€, die aus dem steuerlichen Einlagekonto erbracht werden und daher bei
den beiden Gesellschaftern in vollem Umfang steuerfrei sein sollte. Die GmbH
erteilte beiden Gesellschaftern am 4.9.2006 jeweils eine Bescheinigung über
Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von jeweils ca. 21 Mio.
€. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass am
31.12.2005 doch ein ausschüttbarer Gewinn in Höhe von ca. 12 Mio. € zur
Verfügung gestanden hatte. Damit war die Bescheinigung der Klägerin überhöht;
die Klägerin berichtigte die Bescheinigungen jedoch nicht. Das Finanzamt erließ
einen Nachforderungsbescheid gegenüber der Klägerin und setzte
Kapitalertragsteuer in Höhe von 1,2 Mio. € zuzüglich 5,5 %
Solidaritätszuschlag fest.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt, weil das
Finanzamt nur einen Haftungsbescheid hätte erlassen dürfen, nicht aber einen
Nachforderungsbescheid:
-
Die Voraussetzungen eines Haftungsbescheids lagen vor. Soweit
die GmbH über einen ausschüttbaren Gewinn zum 31.12.2005 verfügte, war eine
Einlagenrückgewähr nicht möglich. Die GmbH hätte daher nur eine niedrigere
Einlagenrückgewähr bescheinigen dürfen. -
Die Rechtsfolge einer überhöhten Bescheinigung ist der Erlass
eines Haftungsbescheids. Dabei kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf ein
mögliches Verschulden der GmbH nicht an. Vielmehr ist der Haftungsbescheid auch
dann rechtmäßig, wenn die GmbH unverschuldet eine überhöhte Bescheinigung
ausgestellt hat. -
Das Finanzamt hat aber keinen Haftungsbescheid erlassen,
sondern nur einen Nachforderungsbescheid, mit dem es Kapitalertragsteuer
gegenüber der Klägerin festgesetzt hat. Ein Nachforderungsbescheid ist bei
einer überhöhten Bescheinigung nicht zulässig.
Hinweise: In den meisten Fällen
im Bereich der Kapitalertragsteuer kann sich das Finanzamt zwischen einem
Nachforderungsbescheid und einem Haftungsbescheid entscheiden. Der Fall einer
überhöhten Bescheinigung ist jedoch eine Ausnahme, da hier nur ein
Haftungsbescheid zulässig ist.
Die Klage hatte aus rein formellen Gründen Erfolg, weil sich das
Finanzamt für die falsche Form des Bescheids (Nachforderungsbescheid statt
Haftungsbescheid) entschieden hatte.
Die überhöhte Bescheinigung führt dazu, dass das Finanzamt des
jeweiligen Gesellschafters die Zahlung durch die GmbH als Einlagenrückgewähr
behandeln und damit steuerfrei belassen wird. Um dies zu verhindern, hätte die
Klägerin die Bescheinigung berichtigen können. Dies hat die Klägerin aber
unterlassen.
Quelle: BFH, Urteil v. 1.10.2024 – VIII R 35/20;
NWB
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