Erbringt einer der Ärzte einer ärztlichen Praxisgemeinschaft
Geschäftsführungsleistungen an die Gemeinschaft, führt dies nicht dazu, dass
sodann die Praxisgemeinschaft Geschäftsführungsleistungen an die anderen Ärzte,
die zu der Praxisgemeinschaft gehören, ausführt; insoweit entsteht keine
Umsatzsteuer. Soweit die Praxisgemeinschaft Reinigungsleistungen bezieht, die
sie zum Selbstkostenpreis an die zur Praxisgemeinschaft gehörenden Ärzte
weiterleitet, ist dies umsatzsteuerfrei.
Hintergrund: Leistungen einer
Gesellschaft an ihre Gesellschafter können umsatzsteuerbar und
umsatzsteuerpflichtig sein. Bis zum 31.12.2019 gab es eine europarechtliche
Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen einer ärztlichen Praxisgemeinschaft an
ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit,
soweit die Praxisgemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue
Erstattung der anteiligen Kosten fordert.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine ärztliche Praxisgemeinschaft, die aus den Ärzten A und B bestand. Die
Geschäftsführung der Praxisgemeinschaft übernahm A, der hierfür eine Vergütung
erhielt. Die Klägerin beschäftigte im Streitjahr 2013 eine Arbeitnehmerin, die
Büroarbeiten ausführte, sowie eine Putzfrau, die die Praxisräume reinigte. Das
Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin Geschäftsführungsleistungen durch A
an die beiden Gemeinschafter A und B erbracht habe; außerdem habe die Klägerin
Reinigungsleistungen sowie Büroarbeiten durch ihre Arbeitnehmerinnen an ihre
Gemeinschafter A und B erbracht, die ebenfalls umsatzsteuerbar und -pflichtig
seien.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
-
Zwar kann eine Praxisgemeinschaft Unternehmerin sein, wenn sie
– wie im Streitfall – einen gemeinsamen Zweck verfolgt und nach
außen auftritt. Sie tritt dann als Gesellschaft auf; die von ihr erbrachten
Leistungen können auch an Gesellschafter geleistet werden. So ist die
Überlassung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter grundsätzlich
umsatzsteuerbar, wenn die Gesellschaft hierfür einen Aufwendungsersatz erhält. -
Die Klägerin hat jedoch keine Geschäftsführungsleistungen an B
oder an A und B ausgeführt. Denn die Geschäftsführungsleistungen, die die
Klägerin von A bezogen hat und die sie an B oder aber an A und B hätte
weiterleiten können, dienten der Innenorganisation der Klägerin.
Die Klägerin war lediglich Leistungsempfängerin der
Geschäftsführungsleistungen des A, nicht aber leistende
Unternehmerin. Anderenfalls würde jede Gesellschaft, die
Geschäftsführungsleistungen bezieht, damit auch eine Geschäftsführungsleistung
an ihre Gesellschafter erbringen. Würde man also eine Geschäftsführungsleistung
der Klägerin an A annehmen, würde die Geschäftsführungsleistung des A in ihr
Gegenteil verkehrt werden, nämlich in eine anschließende
Geschäftsführungsleistung der Klägerin an A (und auch B). -
Soweit die Klägerin durch ihre beiden Arbeitnehmer
Reinigungsleistungen sowie Büroarbeiten hat ausführen lassen, hat sie zwar
Leistungen an A und B erbracht; diese Leistungen sind aber nach der im
Streitjahr 2013 geltenden europäischen Rechtslage umsatzsteuerfrei. Danach soll
eine Belastung mit Umsatzsteuer unterbleiben, wenn eine Praxisgemeinschaft, die
umsatzsteuerfrei ist, Leistungen für umsatzsteuerfreie Tätigkeiten des A und B
erbringt und lediglich einen Kostenersatz verlangt. Die weitere Voraussetzung,
dass dadurch keine Wettbewerbsverzerrung eintritt, war im Streitfall ebenfalls
erfüllt, da im Gesundheitsbereich grundsätzlich keine Wettbewerbsverzerrung
droht.
Hinweise: Selbst, wenn es sich
bei den Büroarbeiten, die die Klägerin durch ihre Arbeitnehmerin erbracht hat,
um umsatzsteuerpflichtige Leistungen gehandelt hätte, hätten diese aufgrund der
sog. Kleinunternehmerregelung nicht der Umsatzsteuer unterlegen. Denn mit
diesen Umsätzen hätte die Klägerin nicht die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer
überschritten.
Im Streitjahr 2013 konnte sich die Klägerin nur auf das europäische
Mehrwertsteuerrecht berufen. Seit dem 1.1.2020 sind die hier streitigen
Leistungen auch nach deutschem Recht grundsätzlich steuerfrei.
Quelle: BFH, Urteil vom 4.9.2024 – XI R 37/21; NWB
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