Ein selbständig tätiger Lehrer kann
zwar unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen.
Ist für seine Umsatzsteuerfestsetzung, in der die Leistungen als
steuerpflichtig behandelt wurden, aber bereits die reguläre
Festsetzungsverjährung eingetreten, führt die Erteilung einer Bescheinigung
über umsatzsteuerfreie Leistungen nicht zu einer Ablaufhemmung bei dem Lehrer.
Diese Bescheinigung stellt nämlich für den Lehrer keinen Grundlagenbescheid
dar, der zu einer längeren Festsetzungsverjährung führen würde.
Hintergrund: Nach dem
Gesetz sind bestimmte Unterrichtsleistungen umsatzsteuerfrei. So sind z.B.
Leistungen einer Bildungseinrichtung umsatzsteuerfrei, wenn die zuständige
Landesbehörde bescheinigt, dass die Leistungen auf einen Beruf oder auf eine
vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
vorbereiten. Außerdem sind Unterrichtsleistungen eines selbständigen Lehrers
umsatzsteuerfrei, wenn er sie an einer vorstehend genannten Bildungseinrichtung
erbringt und die Bildungseinrichtung über die genannte Bescheinigung verfügt.
Sachverhalt: Der Kläger
war selbständiger Dozent bei Lehrgängen zur „Qualifizierung zum
Kräuterpädagogen“, die von verschiedenen Ämtern organisiert wurden. Der
Kläger erhielt sein Honorar von den Ämtern, nicht von den Teilnehmern. Er
versteuerte sein Honorar in den Jahren 2004 bis 2008 mit dem ermäßigten
Umsatzsteuersatz von 7 %. Das Finanzamt wandte hingegen den regulären
Steuersatz von 19 % an. Die Umsatzsteuerbescheide wurden bestandskräftig.
Im Jahr 2016 erhielt der Kläger vom zuständigen Ministerium eine Bescheinigung,
nach der die Kooperation des Klägers mit den Ämtern in den Jahren 2002 bis 2008
und die auf dieser Grundlage durchgeführten Qualifizierungsmaßnamen die
Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung für die unmittelbar dem Schul- und
Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer
allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen erfüllten. Der Kläger
beantragte daraufhin im Jahr 2016 eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide für
2004 bis 2008, die das Finanzamt ablehnte.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
-
Für die Umsatzsteuerbescheide
2004 bis 2008 war im Jahr 2016 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. -
Zwar kommt es zu einer sog.
Ablaufhemmung von zwei Jahren, wenn ein Grundlagenbescheid ergeht. Ein
derartiger Grundlagenbescheid ist gegenüber dem Kläger allerdings nicht
ergangen. -
Die von der zuständigen
Behörde erteilte Bescheinigung über die Voraussetzungen der
Umsatzsteuerfreiheit ist ein Grundlagenbescheid nur für die
Bildungseinrichtung. Der Kläger ist jedoch keine Bildungseinrichtung, da er
keine Vertragsbeziehungen zu den Teilnehmern unterhalten hat. -
Soweit die Bescheinigung sich
an den Kläger als Lehrer richtet, hat sie keine Grundlagenfunktion, sondern
ermöglicht dem Kläger nur den Nachweis, dass die Bildungseinrichtung, an der er
unterrichtet, die Voraussetzungen der Umsatzsteuerfreiheit erfüllt. Mangels
Grundlagencharakter liegt für den Kläger kein Grundlagenbescheid vor, der eine
Ablaufhemmung auslösen könnte.
Hinweise: Der Fall ist
weniger durch das Umsatzsteuerrecht als durch das Verfahrensrecht, insbesondere
die Festsetzungsverjährung, geprägt. Die Umsatzsteuerfestsetzungen waren
bereits verjährt, so dass der Kläger einen Grundlagenbescheid benötigte, der
eine Ablaufhemmung von zwei Jahren ausgelöst hätte. Die Bescheinigung kann zwar
ein Grundlagenbescheid sein, aber dies nur gegenüber der Bildungseinrichtung,
nicht gegenüber dem Lehrer. Hätte die Bescheinigung vor Eintritt der regulären
Festsetzungsverjährung vorgelegen, hätte der Kläger seine Leistungen als
umsatzsteuerfrei behandeln können; denn er wäre an einer Bildungseinrichtung
tätig geworden, die über die erforderliche Bescheinigung verfügt hätte.
Der Lehrgang „Qualifizierung
zum Kräuterpädagogen“ soll nach der Darstellung im Urteilssachverhalt
„Bäuerinnen die fachliche und methodisch-pädagogische Voraussetzung
vermitteln, um neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anbieten zu
können“.
BFH, Beschluss vom 27.11.2021 – V R
39/20; NWB
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