Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält es für
verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber die Übertragung eines Wirtschaftsguts
zwischen zwei Personengesellschaften, die dieselben Gesellschafter haben (sog.
beteiligungsidentische Schwester-Personengesellschaften), zum Buchwert nicht
zulässt, sodass der Wertzuwachs in Gestalt der stillen Reserven versteuert
werden muss, hingegen die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem
Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers in ein anderes Betriebsvermögen
desselben Einzelunternehmers zum Buchwert zulässt. Der Gesetzgeber muss daher
rückwirkend zum 1.1.2021, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, eine
verfassungskonforme Neuregelung schaffen.
Hintergrund: Grundsätzlich
werden bei einem Verkauf oder der Entnahme eines Wirtschaftsguts die stillen
Reserven aufgedeckt und versteuert. Bestimmte Übertragungen- bzw. Überführungen
werden jedoch steuerlich begünstigt, weil sich das Wirtschaftsgut weiterhin im
Betriebsvermögen befindet. So kann z.B. ein Wirtschaftsgut von einem
Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Einzelunternehmers
zum Buchwert überführt werden. Eine entsprechende Regelung
fehlt bei Personengesellschaften, selbst wenn beide
Personengesellschaften dieselben Gesellschafter haben. Zum Buchwert möglich
sind bei Personengesellschaften aber Übertragungen eines Wirtschaftsguts aus
dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das
Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters und umgekehrt.
Sachverhalt: Die A-KG war
gewerblich tätig und veräußerte am 24.8.2001 zwei Grundstücke an die B-KG, die
dieselben Gesellschafter hatte wie die A-KG. Als Kaufpreis wurde der
bilanzielle Buchwert vereinbart, der niedriger war als der tatsächliche Wert.
Die A-KG sah dies als gewinnneutral an. Das Finanzamt ging hingegen davon aus,
dass die stillen Reserven, also die Wertdifferenz zwischen dem tatsächlichen
Wert und dem Buchwert, aufgedeckt worden seien und versteuert werden müssten.
Die Regelung über die Buchwertfortführung wandte das Finanzamt nicht an, weil
diese nur für Überführungen von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen
Betriebsvermögen desselben Einzelunternehmers gilt, nicht aber zwischen
Schwester-Personengesellschaften.
Entscheidung: Das BVerfG, das
vom Bundesfinanzhof (BFH) angerufen worden war, hält die gesetzliche Regelung,
die nur auf die Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen
Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen beschränkt ist, für
verfassungswidrig:
-
Im Streitfall war eine Buchwertfortführung nach dem
Gesetzeswortlaut nicht möglich. Denn danach gibt es keine Möglichkeit, dass ein
Wirtschaftsgut zwischen zwei beteiligungsidentischen
Schwester-Personengesellschaften zum Buchwert übertragen wird. Die für
Einzelunternehmer geltende Regelung lässt sich auf Personengesellschaften nicht
entsprechend anwenden, weil es bei Übertragungen zwischen
Personengesellschaften – anders als bei einem Einzelunternehmer –
zu einem Rechtsträgerwechsel kommt. -
Der gesetzliche Ausschluss der Buchwertfortführung bei
Übertragungen zwischen zwei Schwester-Personengesellschaften ist
verfassungswidrig, weil eine Ungleichbehandlung zwischen
Einzelunternehmern und Personengesellschaften besteht. -
Für diese Ungleichbehandlung bestehen keine
Rechtfertigungsgründe. Die Ungleichbehandlung kann nicht damit gerechtfertigt
werden, dass der Gesetzgeber missbräuchliche Gestaltungen verhindern wollte.
Denn hierfür gibt es bereits rechtliche Möglichkeiten, die im Einzelfall
angewendet werden könnten, z.B. der sog. Gestaltungsmissbrauch oder sog.
Gesamtplan. -
Zwar kann theoretisch die Buchwertfortführung durch eine sog.
Kettenübertragung erreicht werden, indem das Wirtschaftsgut nicht unmittelbar
von der einen Schwester-Personengesellschaft auf die andere
Schwester-Personengesellschaft übertragen wird, sondern über den Umweg des
Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters zum Buchwert auf die andere
Schwester-Personengesellschaft übertragen wird; eine solche Möglichkeit lässt
der Wortlaut des Gesetzes nämlich zu. Allerdings besteht hier das Risiko, dass
die Finanzverwaltung einen Gestaltungsmissbrauch annimmt.
Hinweise: Der Gesetzgeber muss
rückwirkend ab dem 1.1.2001 eine verfassungskonforme Neuregelung verabschieden.
Bis dahin bleibt die bisherige Regelung noch in Kraft. Die Neuregelung würde
für bereits abgeschlossene Übertragungen gelten, wenn es entweder noch keinen
Bescheid gibt oder aber der bisherige Bescheid angefochten ist oder aber
vorläufig ist bzw. der Bescheid unter einem noch wirksamen Vorbehalt der
Nachprüfung steht.
Das BVerfG hat sich nur zur Übertragung zwischen vollständig
beteiligungsidentischen Personengesellschaften geäußert, nicht aber zu
Übertragungen zwischen Personengesellschaften, die nur teilweise dieselben
Gesellschafter haben.
Quelle: BVerfG, Beschluss vom 28.11.2023 – 2 BvL 8/13;
NWB
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