Prozesskosten, die getätigt werden, um einen höheren nachehelichen
Unterhalt zu erlangen, sind nicht als Werbungskosten absetzbar, wenn der
Unterhaltsverpflichtete für das Unterhaltsjahr noch keinen wirksamen Antrag auf
Abzug der Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben gestellt hat. Denn erst wenn
dieser Antrag wirksam gestellt worden ist und der Unterhaltsberechtigte dem
Antrag zugestimmt hat, werden die Unterhaltszahlungen steuerlich relevant und
gehören nicht mehr zur privaten Lebensführung; dies gilt dann auch für die
Prozesskosten.

Hintergrund: Unterhaltszahlungen
an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten sind als
Sonderausgaben bis zu 13.805 € jährlich als Sonderausgaben abziehbar,
wenn der Unterhaltsberechtigte zustimmt. Der Unterhaltsberechtigte muss dann
die Unterhaltszahlungen entsprechend als sonstige Einkünfte versteuern, maximal
bis zu einem Betrag von 13.805 €.

Sachverhalt: Der E wurde 2014
von der Klägerin geschieden und verpflichtet, einen monatlichen Unterhalt von
582,50 € zu zahlen. Die Klägerin begehrte anschließend höheren
Unterhalt. Im März 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich zustande, nach dem E
nun 900 € Unterhalt monatlich zahlen musste. Der Klägerin entstanden
aufgrund dieses Vergleichs Anwalts- und Gerichtskosten im Jahr 2015, die sie
als außergewöhnliche Belastungen geltend machte. Die Einnahmen aus dem
Unterhalt in Höhe von 10.800 € (12 x 900 €) erklärte die Klägerin
als sonstige Einkünfte und zog hiervon die Werbungskostenpauschale für
Versorgungsbezüge von 102 € ab. Das Finanzgericht (FG) erkannte in der
ersten Instanz die Aufwendungen teilweise als Werbungskosten bei den sonstigen
Einkünften an, soweit sie den Pauschbetrag von 102 € überstiegen.
Hiergegen legte das Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Entscheidung: Der BFH erkannte
die Prozesskosten nicht als Werbungskosten an, hat die Sache aber zur weiteren
Aufklärung an das FG zurückverwiesen:

  • Werbungskosten sind Aufwendungen, die durch die Erzielung von
    Einkünften veranlasst sind. Unterhaltszahlungen sind beim
    Unterhaltsberechtigten sonstige Einkünfte, soweit der Unterhaltsverpflichtete
    sie als Sonderausgaben bis zur Höhe von maximal 13.805 € jährlich
    geltend macht und der Unterhaltsberechtigte dem
    zustimmt.

  • Zwar könnten die Prozesskosten durch die Unterhaltsleistungen
    veranlasst sein, weil der Prozess dazu diente, höhere Unterhaltsleistungen zu
    erhalten. Jedoch gehören Unterhaltszahlungen grundsätzlich zum Privatbereich.
    Erst durch den Antrag des
    Unterhaltsverpflichteten
    , der den Antrag stellt, die
    Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben geltend zu machen, und durch die
    Zustimmung des Unterhaltsberechtigten, der die Unterhaltszahlungen im Gegenzug
    als sonstige Einkünfte versteuern muss, werden die
    Unterhaltszahlungen in den steuerlichen Bereich überführt
    .
    Sobald also der Unterhaltsverpflichtete seine Einkommensteuererklärung
    einreicht und die Zustimmung des Unterhaltsberechtigten auf dem entsprechenden
    Formular beifügt, kommt es zu einer rechtsgestaltenden
    Umqualifizierung der Unterhaltszahlungen
    , die nun steuerbar
    werden. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Unterhaltszahlungen steuerlich irrelevant.

  • Solange der unterhaltsverpflichtete E seine
    Einkommensteuererklärung für 2015, in der er die Unterhaltszahlungen als
    Sonderausgaben mit Zustimmung der Klägerin steuerlich geltend macht, noch nicht
    abgegeben hat, können Prozesskosten daher keine Werbungskosten sein. Die
    Einkommensteuererklärung des E für 2015 kann erst im Jahr 2016 abgegeben worden
    sein; hingegen sind die Prozesskosten der Klägerin bereits im Jahr 2015
    entstanden und betrafen zu diesem Zeitpunkt die private Lebensführung der
    Klägerin.

  • Der BFH hat den Werbungskostenabzug zwar abgelehnt. Das FG
    muss nun aber prüfen, ob die Prozesskosten als
    außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht
    werden können; dies hängt nach dem Gesetz insbesondere davon ab, ob die
    Klägerin ohne den Unterhaltsprozess Gefahr gelaufen wäre, ihre
    Existenzgrundlage zu verlieren und ihre
    lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu
    können.

Hinweise: Eine nachträgliche
Umqualifizierung der Prozesskosten, die im Jahr 2015 die private Lebensführung
betrafen, in vorweggenommene Werbungskosten, nachdem der E die
Unterhaltszahlungen mit Zustimmung der Klägerin als Sonderausgaben geltend
gemacht hat, wird vom BFH abgelehnt.

Unbeachtlich war, dass der E seine Unterhaltszahlungen an die
Klägerin in den Vorjahren als Sonderausgaben geltend gemacht hat. Zwar kann die
Zustimmung der Klägerin zum Sonderausgabenabzug des E über mehrere Jahre hinweg
gültig sein; der Antrag des E kann aber jeweils nur für ein Kalenderjahr
gestellt und nicht zurückgenommen werden. Daher wirkte der für das Vorjahr 2014
gestellte Antrag im Streitjahr 2015 nicht fort.

Der Abzug von Unterhaltsleistungen und die gleichzeitige
Versteuerung durch den Empfänger nennt man Realsplitting. Der Empfänger
erleidet zwar einen steuerlichen Nachteil; dieser Nachteil wird jedoch durch
eine entsprechend höhere Unterhaltszahlung ausgeglichen. Für den
Unterhaltsverpflichteten kann sich hieraus ein Vorteil ergeben, wenn sein
Steuersatz höher ist als der Steuersatz des Unterhaltsempfängers.

Quelle: BFH, Urteil vom 18.10.2023 – X R 7/20;
NWB